BAföG-FAQWie Geschwister die BAföG-Förderung beeinflussen
1. Oft gestellte Fragen
Ja, deine Geschwister spielen in der Berechnung der Höhe deines BAföGs eine Rolle. Je nachdem, ob deine Geschwister schulpflichtig (oder noch jünger), in Ausbildung oder berufstätig sind oder einen freiwilligen Wehrdienst ableisten, kann die Auswirkung unterschiedlich hoch sein. Nur bei elternunabhängigem BAföG spielen die Geschwister keine Rolle.
Je schulpflichtigem oder noch jüngerem Geschwisterkind beträgt der Freibetrag ab WiSe 24/25 770 € auf das Einkommen deiner Eltern. Allerdings spielt noch eine Rolle, ob die Geschwister die gleichen Eltern wie du haben oder sie Halbgeschwister, Stiefgeschwister, Pflegekinder oder gar Enkel sind. Sobald ein Geschwister volljährig ist, spielen auch die Einkünfte dieses Geschwisters wie Unterhalt oder Jobeinkommen eine Rolle.
Der Freibetrag kann sich verändern, wenn die Geschwister volljährig sind und selbst Einkommen erzielen oder wenn sie selbst eine förderungsfähige Ausbildung/Studium beginnen. Sofern sie ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben und selbst arbeiten, fällt der Freibetrag in der Regel weg. Änderungen müssen zeitnah dem Amt mitgeteilt werden.
Für Geschwister mit BAföG gibt es keinen Freibetrag. Stattdessen wird – wenn nach Abzug aller Freibeträge noch anzurechnendes Elterneinkommen übrig bleibt – dieses Einkommen unter allen Geschwistern gleichermaßen aufgeteilt, die eine BAföG-förderungsfähige Ausbildung bzw. Studium machen. Es gibt Konstellationen, bei denen so mehr BAföG herauskommt als mit Freibetrag (während der Schulzeit des Geschwisters), aber auch andere bei denen dies zu weniger/kein BAföG führt.
Deine Geschwister musst nicht du in deinem Formblatt aufführen. Stattdessen müssen deine Eltern sie in ihrem Formblatt angeben.
2. Grundsätzliches zum Einfluss von Geschwistern auf das BAföG
Geschwister beeinflussen die BAföG-Förderung zuweilen stärker, als manch einer vermutet. So entfällt die Förderung z. B. plötzlich oder sinkt drastisch, weil der Bruder nach der Schule mit dem freiwilligen Wehrdienst beginnt oder eine ältere Schwester mit dem Studium fertig ist. Umgekehrt gibt es mehr BAföG, wenn Geschwister ein Studium beginnen oder eine Ausbildung aufnehmen, in der sie Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben. Warum und wie genau sich derartige Veränderungen auf deine Förderung auswirken, möchten wir nachfolgend erläutern.
Wie reduzieren Geschwister das Einkommen deiner Eltern?
Deine Geschwister können die Höhe deines BAföGs positiv beeinflussen, wenn sie noch nicht volljährig sind, ihre schulische Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben oder sich in einer (Berufs-)Ausbildung bzw. zeitlich begrenzten Orientierungsphase befinden und noch nicht selbst berufstätig sind. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten:
Zusätzlicher Freibetrag
Deine Eltern erhalten für deine Geschwister einen zusätzlichen Freibetrag auf ihr Einkommen. Hat dein Bruder oder deine Schwester eigenes Einkommen und ist volljährig (bis SoSe 2024 spielt die Volljährigkeit keine Rolle!), so führt dies zur Kürzung des Freibetrags. Auch Unterhaltszahlungen z.B. bei Halbgeschwistern reduzieren diesen. Bei Jobeinkommen werden vor Abzug 190 € Sozialpauschale (VwV 21.1.32 zu BAföG § 21) subtrahiert, von Unterhaltszahlungen nicht.Anteilige Einkommensanrechnung
Das anrechenbare Einkommen deiner Eltern wird zu gleichen Teilen von deinem Bedarf und vom Bedarf deiner Geschwister abgezogen.
Beide Konstellationen schließen sich gegenseitig aus. Ob die eine oder die andere gilt, hängt ausschließlich davon ab, ob sich deine Geschwister in einer Ausbildung befinden, die – zumindest theoretisch – mit BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) gefördert werden kann oder nicht. Können sie nicht gefördert werden, gilt der erste Fall, können sie gefördert werden, gilt der zweite Fall.
Kommt es zu einem Wechsel zwischen den beiden genannten Möglichkeiten, ändert sich fast immer das BAföG (gleichbleibendes BAföG wäre sehr großer Zufall). Man kann leider nicht allgemein sagen, ob es mehr oder weniger wird, da es von den weiteren Parametern abhängt, wie sich der Wechsel auswirkt. Da hilft wirklich nur die Abschätzung mit unserem BAföG-Rechner.
Details zum Freibetrag oder der anteiligen Einkommensanrechnung bei betrieblicher und außerbetrieblicher Berufsausbildung bzw. bei BAföG-förderungsfähiger Ausbildung (Studium oder schulische [Berufs-]Ausbildung) findest du in den folgenden Abschnitten.
Inwieweit deine Eltern gesetzlich verpflichtet sind, deinen Geschwistern Unterhalt zu zahlen, regelt das Unterhaltsrecht.
Wir empfehlen, ergänzend auch den Artikel zur Anrechnung des Einkommens der Eltern und des Ehegatten/Lebenspartners zu lesen.
Welcher Zeitraum ist relevant
Maßgeblich sind jeweils die Verhältnisse im Bewilligungszeitraum. Verändern sich die Verhältnisse während dieser Zeit bei deinen Geschwistern, weil sie z.B. mit einer Ausbildung anfangen oder aufhören, so musst du dies dem BAföG-Amt melden. In der Folge wird dein BAföG-Bescheid geändert.
Wo gebe ich Geschwister beim BAföG-Antrag an?
Du als BAföG-Empfänger:in bist da raus. Die Angabe der (Halb-)Geschwister ist Sache deiner Eltern. Im BAföG-Formblatt 3 bzw.direkt online bei bafoeg-digital.de (nur sinnvoll, wenn auch der Rest des Antrages online gestellt wird) müssen deine Eltern Angaben zu ihren Kindern machen – also deinen Geschwister.
Da Änderungen des Status deiner (Halb-)Geschwister, wie beispielsweise Beendigung der Ausbildung, Wechsel von Schule auf Hochschule oder anderes, sich auf dein BAföG auswirken dürften, solltest du diese am besten selbst dem BAföG-Amt melden. Jedenfalls kläre das am besten mit deinen Eltern, dass auch sie daran denken und dir bei Bedarf Bescheid sagen. Lege derartige Meldungen dann auch immer in Kopie in deinem BAföG-Ordner ab.
Wie schnell muss eine Änderung des Status der Geschwister gemeldet werden?
Ändern sich die Verhältnisse zu deinem Vorteil, so wird dies ab dem Monat berücksichtigt, in dem die Veränderung eingetreten ist, ansonsten ab dem Folgemonat.
Erfolgt die Meldung zu spät, kann es bei Änderungen zu deinem Nachteil zu Zahlungs-Rückforderungen kommen. Veränderungen zu deinem Vorteil werden höchstens für drei Monate rückwirkend berücksichtigt.
In eigenem Interesse solltest du bzw. deine Eltern also an die rechtzeitige Meldung denken!
3. Schulpflichtige oder noch jüngere Geschwister
Solange ein Geschwisterkind im schulpflichtigen oder Kindergartenalter ist, erhalten deine Eltern für dein Geschwister jeweils einen gesonderten Freibetrag. Dazu gehört auch der reguläre Besuch des Gymnasiums bis Klasse 12 oder 13, NICHT ABER das Abendgymnasium oder Kolleg zum Nachholen des Abis auf dem 2. Bildungsweg.
Mit dem Freibetrag reduziert sich das Einkommen deiner Eltern, das in die Berechnung deiner BAföG-Förderung mit hineinfließt. Der Freibetrag liegt ab Wintersemester 24/25 pro entsprechendem Geschwisterkind bei 770 Euro (bis SoSe 24: 730 Euro).
So plausibel die Regelung im ersten Moment erscheint: Im konkreten Fall tauchen schnell Fragen auf, da es sehr unterschiedliche Geschwisterbeziehungen gibt: Bei wem wird der Freibetrag berücksichtigt, wenn die Eltern getrennt leben oder nicht verheiratet sind? Gibt es den Freibetrag auch für Halb- und Stiefgeschwister? etc.
Wer zählt zu Geschwistern im schulpflichtigen oder jüngeren Alter?
Vollgeschwister
Halbgeschwister (nur von deinem Vater oder deiner Mutter)
Adoptivkinder
Pflegekinder im Haushalt
Kinder von Ehepartnern/ Ehepartnerinnen oder gesetzlich registrierten Lebenspartner:innen, die mit im Haushalt von einem deiner Elternteile leben
Enkel, die mit im Haushalt deiner Eltern wohnen und von ihnen finanziert werden
Einkünfte des Geschwisters
Verdient dein Geschwister z.B. in einem Nebenjob während dessen Abizeit monatlich mehr als 190 Euro, so sinkt der Freibetrag bei der Anrechnung des Elterneinkommens um den darüber liegenden Betrag. Handelt es sich um Unterhalt z.B. von einem anderen Elternteil, dass nicht auch deins ist, reduziert sich der Freibetrag direkt um die Höhe des Unterhalts. Welcher Zeitraum relevant ist und was bei spontanen Änderungen des Geschwistereinkommens passiert, gilt gleichermaßen wie bei Geschwistern ohne BAföG oder BAB nach dem Ende der Schulpflicht (unten 3.d).
Mit dem 29. BAföG-Änderungsgesetz wird ab Wintersemester 2024/2025 nur noch Einkommen volljähriger Geschwister Freibetragsmindernd berücksichtigt. Damit diese Vereinfachung nicht wieder zu Verkomplizierenden führt, soll wohl in der Ausführung nur das Alter des Geschwisters zu Beginn des Bewilligungszeitraums (BWZ) betrachtet werden. Wenn es erst im Verlauf des BWZ volljährig wird, bleibt das Einkommen bis Ende des BWZ dennoch unberücksichtigt.
Vollgeschwister
Du und dein Bruder/Schwester haben die selben Eltern.
Sind deine Eltern miteinander verheiratet/verpartnert und haben sie sich nicht dauerhaft getrennt, reduziert der Freibetrag für deinen schulpflichtigen oder noch jüngeren Bruder oder deine schulpflichtige oder noch jüngere Schwester ihr gemeinsames Einkommen.
In allen anderen Fällen wird das anrechenbare Einkommen deiner Eltern getrennt berechnet. Der Freibetrag wird dann bei beiden Eltern je zur Hälfte berücksichtigt (vgl. VwV 25.3.3).
Halbgeschwister
Du und dein Bruder/Schwester haben einen gemeinsamen Elternteil.
Sind deine beiden leiblichen Eltern miteinander verheiratet/verpartnert und haben sie sich nicht dauerhaft getrennt, gilt dasselbe wie für Vollgeschwister. Der Freibetrag reduziert das gemeinsame Einkommen deiner Eltern, obwohl nur ein Elternteil auch der leibliche Elternteil deines Bruders bzw. deiner Schwester ist. Das gilt selbst dann, wenn das Halbgeschwisterkind nicht im Haushalt deiner Eltern lebt (VwV 25.3.2). Wird vom leiblichen Elternteil deines Halbbruders bzw. deiner Halbschwester, der nicht auch dein leiblicher Elternteil ist, ein Barunterhalt geleistet, mindert sich in diesem Fall der Freibetrag für deine Eltern um die Höhe des Barunterhalts (VwV 25.3.4).
In den anderen Fällen wird das anrechenbare Einkommen deiner Eltern getrennt berechnet. Der Freibetrag für deine Schwester bzw. deinen Bruder wird in voller Höhe gewährt und reduziert das Einkommen eures gemeinsamen leiblichen Elternteils (VwV 25.3.4).
Stiefgeschwister
Dein Stiefvater oder deine Stiefmutter hat eigene Kinder.
Für Stiefgeschwister wird ein Freibetrag gewährt, wenn sie im Haushalt deines leiblichen Vaters oder deiner leiblichen Mutter leben (§ 25 Abs. 5 Nr. 2 BAföG).
Pflegekinder
Deine Eltern haben Kinder aufgenommen, mit denen deine Eltern familienähnlich auf Dauer verbunden sind, die in ihrem Haushalt leben und die nicht mehr unter der Obhut ihrer leiblichen Eltern stehen.
Sind deine Eltern miteinander verheiratet/verpartnert und haben sie sich nicht dauerhaft getrennt, reduziert der Freibetrag für das Pflegekind ihr gemeinsames Einkommen.
In allen anderen Fällen wird das anrechenbare Einkommen deiner Eltern getrennt berechnet. Der Freibetrag wird dann bei dem Elternteil berücksichtigt, in dessen Haushalt das Pflegekind lebt.
Beispiel (Voll-/Halbgeschwister)
Lena beginnt ein Studium und beantragt BAföG. Ihre Eltern leben dauerhaft getrennt. Lena hat eine 10-jährige Schwester namens Pia, die bei der Mutter lebt. Beide Eltern sind erwerbstätig.
Wie viel Einkommen der Eltern auf Lenas BAföG-Bedarf angerechnet werden kann, wird für beide Eltern getrennt ermittelt. Dabei wird der Freibetrag für Pia bei beiden Eltern je zur Hälfte berücksichtigt. Dass die kleine Schwester Pia bei der Mutter lebt, wirkt sich nicht weiter aus, da die Unterhaltslast auf beide Eltern gleichmäßig verteilt ist: Die Mutter leistet Naturalunterhalt, der Vater ist zum Barunterhalt verpflichtet. Dem wird die Teilung des Freibetrags gerecht.
Wäre Pia nur Lenas Halbschwester und nur leibliches Kind der Mutter, würde bei Lenas Mutter der volle Freibetrag für Pia berücksichtigt.
4. Nicht mehr schulpflichtige Geschwister, die KEINE Ausbildung mit BAföG oder BAB machen
a) Wer zählt nach dem Ende der Schulpflicht zu Geschwistern ohne BAföG oder BAB?
Vollgeschwister
Halbgeschwister (nur von deinem Vater oder deiner Mutter)
Adoptivkinder
Pflegekinder im Haushalt
Kinder von Ehepartnern/ Ehepartnerinnen oder gesetzlich registrierten Lebenspartner:innen, die mit im Haushalt von einem deiner Elternteile leben
Enkel, die mit im Haushalt deiner Eltern wohnen und von ihnen finanziert werden
b) Freibetrag setzt Unterhaltspflicht der Eltern voraus
Ob deine Eltern für Geschwister, die sich nicht in Ausbildung befinden, einen gesonderten Freibetrag erhalten können, hängt davon ab, ob sie ihnen gegenüber unterhaltspflichtig sind, denn der Freibetrag dient dazu, die Unterhaltslast der Eltern zu mindern. Der Freibetrag liegt für Kinder nach dem Ende der Schulpflicht ab Wintersemester 24/25 ebenfalls bei 770 Euro pro relevantem Geschwisterkind.
Da volljährige Kinder im Grundsatz nur dann unterhaltsberechtigt sind, wenn sie sich in Ausbildung befinden (mehr dazu hier), kann durchaus fraglich sein, ob eine Unterhaltspflicht besteht. Ob und inwiefern die BAföG-Ämter das Bestehen einer Unterhaltspflicht allerdings prüfen, ist eine andere Frage.
Nach unserem Kenntnisstand und den Einträgen im Forum scheint es hier unterschiedliche Verfahrensweisen zu geben. Manche Ämter gewähren den Freibetrag ohne Prüfung, andere verlangen z. B., dass sich das Geschwisterkind zumindest als Ausbildungsplatz suchend bei der Arbeitsagentur registriert haben muss.
Mit Freibetrag berücksichtigt werden können nicht mehr schulpflichtige Geschwister:
im FSJ, FÖJ oder vergleichbarem, die noch keine Berufsausbildung abgeschlossen haben
für die deine Eltern aus sonstigen Gründen per Gesetz unterhaltspflichtig sind und die keine mit BAföG oder BAB förderbare Ausbildung machen
Den Freibetrag gibt es nicht, wenn:
dein Geschwister freiwilligen Wehrdienst macht
dein Geschwister berufstätig ist
dein Geschwister bei Beginn dessen Ausbildung über 30 Jahre alt war
dein Geschwister ein Kolleg oder Abendgymnasium zum Nachholen des Abiturs besucht
dein Geschwister für dessen Ausbildung BAföG bzw. Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) bekommt oder theoretisch für den Ausbildungsort bekommen könnte
dein Geschwister eine Universität der Bundeswehr oder eine Verwaltungsfachhochschule besucht und Anwärterbezüge oder ähnliche Leistungen erhält
deine Eltern aus sonstigen Gründen nicht mehr per Gesetz unterhaltspflichtig sind.
c) Einkommen des Geschwisterkinds kürzt den Freibetrag
Gibt es einen Freibetrag und haben deine Geschwister eigenes Einkommen, wird der Freibetrag entsprechend gekürzt. Wird beim Einkommensbezieher nur der halbe Freibetrag berücksichtigt, so wird auch das Einkommen nur zur Hälfte angerechnet. Was als Einkommen zählt, richtet sich nach den üblichen BAföG-Regeln, die du im Artikel zur Einkommensanrechnung nachlesen kannst.
Die Berechnung des Nettoeinkommens erfolgt im Prinzip genauso wie bei dir, deinem Ehegatten/Lebenspartner und deinen Eltern auch. Allerdings gibt es eine Verwaltungsvorschrift (VwV 21.1.32), welche die Berechnung für zu versteuerndes Einkommen stark erleichtert, indem einfach ein Pauschalbetrag in Höhe von 140 Euro vom Bruttoeinkommen abgezogen wird. Damit sind die steuerfreien Teile der Einnahmen, die zu ihrer Erzielung aufgewandten Betriebsausgaben und Werbungskosten, die auf sie entfallende Einkommen- und Kirchensteuer sowie die Aufwendungen für die soziale Sicherung und ggf. der Versorgungsfreibetrag berücksichtigt.
Geschwistern, die ein FÖJ/FSJ oder den Bundesfreiwilligendienst leisten, wird das Taschengeld nicht als Einkommen angerechnet. Das ist seit 2013 explizit in den BAföG-Verwaltungsvorschriften in Tz 21.4.9 erwähnt.
Mit dem 29. BAföG-Änderungsgesetz wird ab Wintersemester 2024/2025 nur noch Einkommen volljähriger Geschwister Freibetragsmindernd berücksichtigt. Damit diese Vereinfachung nicht wieder zu Verkomplizierenden führt, soll wohl in der Ausführung nur das Alter des Geschwisters zu Beginn des Bewilligungszeitraums (BWZ) betrachtet werden. Wenn es erst im Verlauf des BWZ volljährig wird, bleibt das Einkommen bis Ende des BWZ dennoch unberücksichtigt.
d) Maßgeblicher Zeitraum und Einkommensveränderung
Maßgeblicher Zeitraum für die Verhältnisse bei deinen Geschwistern ist dein Bewilligungszeitraum (BWZ). Erzielen deine Geschwister während der gesamten Zeit ein gleichbleibendes Einkommen, so erfolgt die Einkommensanrechnung genauso wie bei dir: Es wird eine Prognose hinsichtlich der Höhe der Einkünfte während des gesamten BWZ abgegeben und die Summe durch zwölf Monate geteilt. Während dein eigenes Einkommen deinen Bedarf direkt kürzt, wird hier der verbleibende Betrag vom zusätzlichen Freibetrag für die Eltern abgezogen.
Ergibt sich erst im Laufe des Bewilligungszeitraums ein Einkommen oder erhöht sich das Einkommen, z.B. durch eine Einmalzahlung wie Weihnachtsgeld, so werden nach VwV 22.3.2 nur die verbleibenden Monate des Bewilligungszeitraums berücksichtigt und zwar ab dem Monat, der auf die Veränderung der (Einkommens)verhältnisse folgt (es sei denn, das Einkommen sinkt oder die Veränderung trat zum Monatsersten ein, dann gilt die Veränderung ab dem Monat, in dem die Veränderung eintritt).
Lass dich also nicht verwirren: Was das Einkommen deiner Eltern betrifft, so ist das vorletzte Kalenderjahr vor der Antragstellung relevant, beim Einkommen deiner Geschwister dagegen der Bewilligungszeitraum - und dieser auch erst ab dem Zeitpunkt, ab dem es tatsächlich Einkommen gibt.
Beispiel:
Marcs Bewilligungszeitraum umfasst die Monate Oktober 2024 bis September 2025. Seine bereits vor Oktober 2024 volljährige Schwester macht im Mai 2025 ihr Abitur. Ab dem 15. Juni jobbt sie und verdient monatlich 400 Euro netto. Im Oktober 2025 will sie ihr Studium beginnen.
Von Oktober 2024 bis einschließlich Juni 2025 erhalten die Eltern den vollen Freibetrag für die Schwester. Der Job wird erst ab Juli 2020 berücksichtigt, weil es ein Umstand ist, der sich nachteilig auf Marcs Förderbetrag auswirkt. Die Änderung mindert den Freibetrag deshalb erst ab dem Monat, der auf die Veränderung, also den Beginn des Jobs, folgt. Die Höhe des anzurechnenden Betrages ergibt sich wie folgt: Das gesamte Einkommen der Schwester im verbleibenden Bewilligungszeitraum, also in der Zeit von Juli 2025 bis September 2025 wird durch die Anzahl der Monate dieses Zeitraums geteilt, also durch drei Monate.
Bei insgesamt 1.200 Euro Einkommen sind dies 400 Euro pro Monat. Dieser Betrag wird vom Freibetrag abgezogen. Im Oktober 2025 beginnt für Marc ein neuer BWZ. Sollte seine Schwester dann tatsächlich ihr Studium beginnen, so wird kein Freibetrag mehr für sie berücksichtigt, weil sie selbst eine BAföG-förderungsfähige Ausbildung absolviert. Das anrechenbare Einkommen der Eltern wird dann bei Marc und ihr zu gleichen Teilen angerechnet.
5. Geschwister in betrieblicher oder außerbetrieblicher Berufsausbildung
Absolvieren deine Geschwister eine Berufsausbildung, kann sich dies in unterschiedlicher Weise auf deinen Förderbetrag auswirken. Die erste Möglichkeit: Deine Eltern erhalten einen zusätzlichen Freibetrag auf ihr Einkommen. Die zweite Möglichkeit: Das anrechenbare Einkommen deiner Eltern wird bei dir und deinen Geschwistern jeweils zu gleichen Teilen angerechnet. Welche der Möglichkeiten in deinem Fall zutrifft, hängt allein davon ab, ob deine Geschwister eine Ausbildung absolvieren, die mit Berufsausbildungsbeihilfe nach § 59 SGB III gefördert werden kann oder nicht.
a) Die Ausbildung kann (theoretisch) mit Berufsausbildungsbeihilfe gefördert werden
Befindet sich dein Bruder oder deine Schwester in einer Ausbildung, die mit Berufsausbildungsbeihilfe gefördert werden kann, so wird das anrechenbare Einkommen eurer Eltern bei ihm/ihr und bei dir jeweils zu gleichen Teilen angerechnet. Wichtig: Es ist nicht erforderlich, dass die Förderung tatsächlich stattfindet. Entscheidend ist nur, dass die Ausbildung unabhängig von persönlichen Umständen und Einkommensverhältnissen als solche theoretisch (im Gesetz wird der Begriff „abstrakt" verwendet) gefördert werden könnte.
Dafür genügt es in aller Regel, wenn ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt wird, der Ausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist und der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt.
Zu Geschwistern in betrieblicher Ausbildung, die (theoretisch) mit BAB gefördert werden (können), zählen:
Vollgeschwister
Halbgeschwister (nur von deinem Vater oder deiner Mutter)
Adoptivkinder
Es zählen NICHT (VwV 11.4.2):
Pflegekinder im Haushalt
Kinder von Ehepartnern/ Ehepartnerinnen oder gesetzlich registrierten Lebenspartner:innen, die mit im Haushalt von einem deiner Elternteile leben
Enkel, die mit im Haushalt deiner Eltern wohnen und von ihnen finanziert werden
Exkurs zur Lücke zwischen Unterhaltsrecht und Ausbildungsförderung:
Da die theoretische Fördermöglichkeit einer Ausbildung genügt, kann es sein, dass folgender Fall eintritt: Die Ausbildung deines Bruders bzw. deiner Schwester ist zwar theoretisch förderungsfähig, er/sie erhält aber real kein Fördergeld, weil dafür nötige Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind. In manchen Fällen sind eure Eltern vom Unterhaltsrecht her aber dazu verpflichtet, die Ausbildung deines Geschwisters finanziell zu unterstützen.
Der von deinen Eltern an dein Geschwister nach dem Unterhaltsrecht real auszuzahlende Betrag, kann in einzelnen Fällen höher sein, als jener der für dein Geschwister bei deinem BAföG-Antrag nach dem Prinzip der Aufteilung zu gleichen Teilen berücksichtigt wurde. In diesem Fall kann es geschehen, dass beide Beträge, die eure Eltern an euch zahlen müssten, nach dem Unterhaltsrecht ihre finanziellen Pflichten übersteigen würden.
Diese Lücke zwischen Unterhaltsrecht und Ausbildungsförderung kann über das sog. Vorausleistungsverfahren nach § 36 BAföG ausgeglichen werden. Aber Vorsicht: Ist das Amt der Meinung, dass du gegen deine Eltern doch den errechneten Unterhaltsanspruch hast, holt sich das Amt das Geld (notfalls im Klagewege) von deinen Eltern zurück.
b) Die Ausbildung kann NICHT mit Berufsausbildungsbeihilfe gefördert werden
Wohnt der betreffende Bruder oder die betreffende Schwester während der Ausbildung bei euren Eltern oder besteht aus einem sonstigen Grund keine Möglichkeit, seine/ihre Ausbildung mit Berufsausbildungsbeihilfe zu fördern, so gilt das Gleiche wie bei Geschwistern ohne BAföG oder BAB nach dem Ende der Schulpflicht (oben 3.): Es wird bei den Eltern ein eigener Freibetrag berücksichtigt, der allerdings um die Ausbildungsbezüge gekürzt wird. Sind diese höher als der Freibetrag, wirken sich die Geschwister praktisch nicht auf die Höhe deines Förderbetrages aus.
Zu Geschwistern in betrieblicher Ausbildung, die nicht mit BAB gefördert werden können, zählen:
Vollgeschwister
Halbgeschwister (nur von deinem Vater oder deiner Mutter)
Adoptivkinder
Pflegekinder im Haushalt
Kinder von Ehepartnern/ Ehepartnerinnen oder gesetzlich registrierten Lebenspartner:innen, die mit im Haushalt von einem deiner Elternteile leben
Enkel, die mit im Haushalt deiner Eltern wohnen und von ihnen finanziert werden
6. Geschwister in BAföG-förderungsfähiger Ausbildung
Befinden sich deine Geschwister ebenfalls in einer Ausbildung, die mit BAföG gefördert werden kann, so wird nach Abzug der Freibeträge der zu zahlende Unterhalt eurer gemeinsamen Elternteile gleichermaßen zwischen dir und deinen Geschwistern aufgeteilt.
Wer zählt zu Geschwistern mit BAföG?
Vollgeschwister
Halbgeschwister (nur von deinem Vater oder deiner Mutter)
Adoptivkinder
Bei Geschwistern mit BAföG zählen NICHT (VwV 11.4.2):
Pflegekinder im Haushalt
Kinder von Ehepartnern/ Ehepartnerinnen oder gesetzlich registrierten Lebenspartner:innen, die mit im Haushalt von einem deiner Elternteile leben
Enkel, die mit im Haushalt deiner Eltern wohnen und von ihnen finanziert werden
In der Regel BAföG-berechtigte Ausbildungsorte sind (ohne Gewähr der Vollständigkeit):
Universitäten
Fachhochschulen
Berufsakademien
Höhere Fachschulen
Abendhauptschulen im letzten Jahr
Abendrealschulen im letzten Jahr
Berufsaufbauschulen
Fachoberschulen nach abgeschlossener Berufsausbildung
BAföG-berechtigt können evtl. Kinder sein an:
Fachschulen
Berufsfachschulen
Für die zuletzt erwähnten 2 gibt es verschiedene Typen. Je nachdem, ob sie eine Berufsausbildung voraussetzt bzw. die Ausbildung mindestens 2 Jahre dauert und mit einem berufsqualifizierenden Abschluss endet, ist eine BAföG-Berechtigung vorhanden oder eben nicht. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel Schüler-BAföG unter Schularten.
Sind deine Eltern miteinander verheiratet/verpartnert und leben sie nicht dauernd getrennt, ist mit dem anrechenbaren Einkommen das gemeinsame anrechenbare Einkommen der Eltern gemeint, die Eltern werden also wie ein einziger Einkommensbezieher behandelt (vgl. VwV 11.4.1). Bei der anteiligen Anrechnung werden in diesem Fall auch deine Halbgeschwister berücksichtigt.
Sind deine Eltern nicht miteinander verheiratet/verpartnert oder leben sie dauernd getrennt, wird das anrechenbare Einkommen jedes Elternteils getrennt berechnet und ggf. auf dich und deine Geschwister in BAföG-förderungsfähiger Ausbildung verteilt. Halbgeschwister sind in dieser Konstellation nur bei dem gemeinsamen leiblichen Elternteil zu berücksichtigen.
Für die anteilige Anrechnung genügt es, wenn deine Geschwister theoretisch (im Gesetz wird der Begriff „abstrakt“ verwendet) BAföG bekommen könnten. Die anteilige Anrechnung erfolgt also auch dann, wenn ein Geschwisterkind zwar eine BAföG-förderungsfähige Ausbildung absolviert, aber tatsächlich kein BAföG bezieht. Im Einzelnen findet die anteilige Einkommensanrechnung in folgenden Fällen statt:
Ein Geschwisterkind bezieht ebenfalls BAföG.
Ein Geschwisterkind wird nur deshalb nicht gefördert, weil es ein zu hohes eigenes Einkommen hat.
Ein Geschwisterkind wird nur deshalb nicht gefördert, weil es zu spät die Fachrichtung gewechselt oder die Förderungshöchstdauer überschritten hat.
Ein Geschwisterkind wird elternunabhängig gefördert, weil es nach einer berufsqualifizierenden Ausbildung mindestens drei Jahre oder ohne Ausbildung fünf Jahre erwerbstätig war, bevor es die BAföG-förderungsfähige Ausbildung begonnen hat.
Ein Geschwisterkind wird elternunabhängig gefördert, weil es bei Beginn der Ausbildung über 30 Jahre alt war.
Ein Geschwisterkind befindet sich im Urlaubssemester.
Ein Geschwisterkind befindet sich im Zweitstudium.
Ein Geschwisterkind promoviert und ist als Promotionsstudent(in) eingeschrieben.
In folgenden Fällen wird das Einkommen deiner Eltern dagegen nicht anteilig angerechnet:
Ein Geschwisterkind wird elternunabhängig gefördert, weil es ein Abendgymnasium, Kolleg oder eine Berufsoberschule (Bayern, in Baden-Württemberg Oberstufe der BOS, in Niedersachsen Klasse 13 der BOS) besucht.
Ein Geschwisterkind besucht eine Universität der Bundeswehr oder eine Verwaltungsfachhochschule.
Ein Geschwisterkind bleibt nach der Abschlussprüfung weiterhin im abgeschlossenen Studiengang immatrikuliert.
Ein Geschwisterkind bei Beginn der Ausbildung über 30 Jahre alt war.
Zur Lücke zwischen Unterhaltsrecht und Ausbildungsförderung siehe oben (Exkurs …).