2026 schon wieder teurerD-Semesterticket in Gefahr
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Teuer, teurer, Studentenleben! Und keine Abhilfe in Sicht. Jetzt setzte es zwei neue Hiobsbotschaften in nur zehn Tagen, beziehungsweise zwei schon sattsam bekannte. Erstens: Die Mieten klettern munter weiter in schwindelerregende Höhen. Zweitens: Auch in puncto Mobilität müssen Studierende tiefer in die Tasche greifen – sofern da noch etwas zu greifen ist.
In ihrem Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vor nicht langer Zeit verkündet: „Das Deutschlandticket wird über 2025 hinaus fortgesetzt. Dabei wird der Anteil der Nutzerfinanzierung ab 2029 schrittweise und sozialverträglich erhöht.“ Zum Zeitpunkt der Niederschrift kostete das Angebot schon 58 Euro, nach davor 49 Euro.
Nun beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder den nächsten Aufschlag zum Januar 2026. Dann werden 63 Euro für bundesweites Fahren im Nah- und Regionalverkehr fällig. Zur Erinnerung: Das Angebot war einmal mit neun Euro pro Monat gestartet – noch nicht unter dem Namen D-Ticket – als Reaktion auf die riesigen Preissprünge bei Energie und Lebensmitteln nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Von diesem Ausgangspunkt betrachtet wird sich das Angebot demnächst um 700 Prozent verteuert haben.
Fantastilliarden für Rüstung
Wie wird das gerechtfertigt, oder hat die Politik die Uhr einfach um drei Jahre vorgedreht? Nein. „Alle Maßnahmen“ des Regierungsprogramms „stehen unter Finanzierungsvorbehalt“, heißt es auf Seite 51. So läuft das heute. Politiker versprechen den Menschen die tollsten Dinge und dann heißt es: Ätsch, bätsch, können wir uns doch nicht leisten. Gibt ja auch Wichtigeres zu tun, vor allem Deutschlands Aufrüstung mit Fantastilliarden Euro. Da muss das Soziale leider kürzer treten.
Pech gehabt und wieder ein paar Sorgen mehr. Bekanntlich ist das Deutschlandticket der „große Bruder“ des bundesweit gültigen Semestertickets. Beide sind preislich miteinander verkuppelt, in einem festgelegten Verhältnis von 100 zu 60 Prozent. Bei der Einführung zum Sommersemester 2024 lag der Preis bei 29,40 Euro monatlich (pro Semester 176,40 Euro) und zum bevorstehenden Wintersemester werden es 34,80 Euro sein (pro Semester 208,80 Euro). Voraussichtlich ab dem Wintersemester 2026/27 wären dann 37,80 Euro zu bezahlen oder, nach gängiger Regelung 226,80 Euro auf einen Schlag als Teil am Semesterbeitrag.
Am Donnerstag schlugen die Leidtragenden Alarm. Viele stünden „finanziell bereits jetzt mit dem Rücken zur Wand“, erklärten der freie „zusammenschluss von student*innenschaften“ (fzs) und elf Landesstudierendenvertretungen in einer Medienmitteilung. Während staatliche Unterstützungsleistungen wie die Bundesausbildungshilfe (BAföG) „seit Jahren nicht mit der Lebensrealität Schritt halten, werden bei der studentischen Mobilität die Preise munter weiter erhöht“. Das sei „kein Konzept für die Zukunft, sondern ein Schlag ins Gesicht“.
Fatale Verkupplung
Die Verbände stellen drei Forderungen: Sofortiges Einfrieren des Ticketpreises bei 34,80 Euro pro Monat, Preisentkopplung vom Deutschlandticket sowie langfristige Preisstabilität. „Die Studierenden sind am Limit“, ein Zuschlag von diesmal 18 Euro pro Semester bei gleichbleibender, in vielen Bundesländern durch miserable Infrastruktur schlechter Leistung“ sei „schlicht inakzeptabel“. Für viele hätte bereits der aktuelle Betrag die „absolute Schmerzgrenze überschritten“, beklagen die Studierendenvertreter.
Wegen des wachsenden Unmuts sehen sie den Fortbestand des Angebots als Ganzes gefährdet. Einige Hochschulen hätten den Vertrag für das Semesterticket bereits gekündigt, weitere Studierendenschaften drohten dem Beispiel zu folgen. „Wenn nicht sofort gehandelt wird, bricht dieses Modell zusammen.“
Warum? Wie die früheren Semestertickets, die je nach Regelung für ein ganzes Bundesland, eine Hochschulstadt oder nur einzelne Hochschulen Geltung hatten, beruht das D-Semesterticket auf dem Solidarprinzip. Dort, wo eine entsprechende Vereinbarung zwischen Studierendenvertretern und Verkehrsbetrieben getroffen wird, müssen alle Studierenden zahlen – im Rahmen des Semesterbeitrags –, auch jene, die die Offerte wenig oder gar nicht nutzen.
Leben in „Überbelastung“
Bislang ist es der vergleichsweise geringe Preis, der das Arrangement juristisch weitgehend unangreifbar macht. Bei steigenden Belastungen dürfte sich dies ändern und immer mehr Kläger ermuntern, den Zahlungszwangs anzufechten, weil sie beispielsweise mit dem Auto oder Fahrrad unterwegs sind. Mit jeder Windung mehr, die die Preisschraube angezogen wird, dürften die Gerichte geneigter werden, den Anträgen stattzugeben, bis schließlich das ganze Konzept politisch nicht mehr zu halten sein wird. Angesichts einer Verteuerung des Tarifs von über 28 Prozent binnen zwei Jahren könnte der Bogen bereits bis zum Reißen überspannt sein.
So wie die Nerven der Betroffenen. Schon heute lebt über ein Drittel der Studierenden in Deutschland in Armut – Tendenz steigend. Nach den Härten der Corona-Zeit schloss sich nahtlos die Phase der vom Ukrainie-Krieg provozierten Rekordinflation mit horrend gestiegenen Lebenshaltungskosten an. Dagegen wuchsen die Zuwendungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Gestalt zweier Kleckerreformen 2022 und 2024 nur unzureichend mit – wie seit Jahrzehnten.
Zwar ist die Dynamik bei der Preisentwicklung mittlerweile gebremst. Aber ausgerechnet die Haushaltsposten, die bei Studierenden am stärksten ins Gewicht fallen, legen weiter kräftig zu. Das betrifft Nahrungsmittel und noch stärker die Mieten. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts gehen im Schnitt mehr als die Hälfte der Einnahmen, über die hiesige Hochschüler verfügen, fürs Wohnen drauf. 62 Prozent von ihnen gelten damit als „überbelastet“.
1.690 Euro für 24 Quadratmeter
Aber die Kräfte des freien Marktes kennen keine Rücksichten. Nach aktuellen Zahlen des Moses Mendelssohn Instituts (MMI) aus den 88 größten deutschen Hochschulstädten schlägt ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zum beginnenden Wintersemester im bundesweiten Mittel mit 505 Euro zu Buche. Im Sommersemester waren es noch 493 Euro gewesen. Das entspricht einer Steigerung um 2,4 Prozent und 3,3 Prozent im Vorjahresvergleich.
Dabei gibt es gewaltige regionale Unterschiede: Studierende in Bayern berappen im Schnitt 603 Euro, in Hamburg 620 Euro, in Berlin sogar 650 Euro. Dagegen sind es Sachsen 377 Euro, 362 Euro in Thüringen und in Sachsen-Anhalt „nur“ 350 Euro. Spitzenreiter bei den Städten bleibt unangefochten München mit einer Preispanne von knapp unter 700 Euro bis 900 Euro.
Bereits im Mai hatte der Merkur über ein Inserat für eine möbliertes 24-Quadratmeter-Appartment in Bayerns Landeshauptstadt zum Preis von 1.690 Euro berichtet, das sich auch an Studierende richtete. Von denen habe sich aber keiner gemeldet, teilte der Vermieter mit. Ach was!?
Bei 70 der untersuchten Standorte sei zu Semesterbeginn „kaum ein gewöhnliches Zimmer im Rahmen der aktuellen BAföG-Wohnkostenpauschale verfügbar“, heißt es zu besagter Studie in einem Pressestatement vom 18. September. In 44 Städten, in denen über Hälfte aller Studierenden eingeschrieben sind, sei mit dem Geld „so gut wie kein Zimmer“ zu haben.
Rettung mit Dorothee?
Der Mietzuschuss beläuft sich aktuell auf 380 Euro und soll nach den Plänen der Bundesregierung erst zum Wintersemester 2026/27 auf dann 440 Euro angehoben werden. Mit einer schrittweisen Erhöhung der BAföG-Regelsätze auf das Niveau des Bürgergeldes soll es laut Koalitionsvertrag sogar erst ein Jahr später losgehen.
Allerdings hat Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) dieser Tage eine umfassende Reform schon für Herbst 2026 angekündigt, jedoch ohne wirklich konkret zu werden. Besonders wichtig sei ihr, „dass das BAföG digitaler, einfacher und bekannter gemacht wird“, sagte sie der Rheinischen Post. Das täte bitter not. Die Zahl der Leistungsempfänger war im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2000 gesunken.
„Problematisch wird es, wenn der Geldbeutel der Eltern darüber entscheidet, ob ein Studium am gewünschten Ort möglich ist“, äußerte sich MMI-Projektleiter Stefan Brauckmann mit Blick auf seine jüngste Erhebung. Noch problematischer wird es, wenn man sich ein Studium gar nicht mehr leisten kann, weil Wohnen und Bahnfahren zum Luxus werden. Bis zu diesem Punkt könnte es in vielen Fällen nicht mehr weit sein – sogar zu Fuß. (rw)