BAföG-FAQWarum werden bei einer Praktikums- oder Ausbildungsvergütung keine Freibeträge gewährt?
Keine Freibeträge, trotzdem nicht 100%ige Anrechnung!
Wie nebenan erwähnt, können bei Einkünften aus einem Ausbildungsverhältnis zwar keine Freibeträge abgezogen werden. Trotzdem werden die Einkünfte nicht zu 100% vom BAföG abgezogen. Werbungskosten(-) und Sozialpauschale können vorab auch hier abgezogen werden. Sofern es nicht noch andere Einkünfte gibt, sind mind. die Werbungskostenpauschale (100 Euro mal Anzahl der Monate des Bewilligungszeitraums [BWZ]; bei einem normalen BWZ von 12 Monaten also 1.200 Euro) „frei“. Und von jedem weiteren Euro können noch 21,3% Sozialpauschale abgezogen werden (Stand jeweils 05/2022; zum Wintersemester 2022/2023 ändert sich die Sozialpauschale wahrscheinlich auf 21,6%).
In § 23 Abs. 3 BAföG findet sich die Regelung, dass Einkünfte aus einem Ausbildungsverhältnis voll auf den BAföG-Bedarf angerechnet werden. Anders als bei Einkünften aus einem Nebenjob gibt es also keine Freibeträge (wie bei jedem Einkommen können aber Werbungskosten und Sozialpauschale abgezogen werden). Auch ein Praktikum ist ein solches Ausbildungsverhältnis, sofern es sich um ein Pflichtpraktikum handelt (zur Abgrenzung Pflichtpraktikum vs. freiwilliges Praktikum siehe hier).
Für alle, die sich fragen, warum sie als Praktikantinnen bzw. Praktikanten (oder auch als Auszubildende im Rahmen eines dualen Studiums) beim BAföG finanziell schlechter dastehen als in dem Fall, dass sie unabhängig von der Ausbildung erwerbstätig sind, hier kurz der Versuch, die Erklärungen wiederzugeben, die sich dazu in Kommentaren und Gerichtsentscheidungen finden.
Die Ausbildungsvergütung dient dem gleichen Zweck wie das BAföG.
toolklickit - Fotolia.com (stock.adobe.com)Kein (oder weniger) BAföG kann es auch bei einem Pflichtpraktikum geben: Wird dieses vergütet, kommt es in der Regel zu stärkeren Abzügen vom BAföG, da kein extra Freibetrag gewährt wird
Sie soll den Lebensunterhalt des Auszubildenden während der Ausbildung sicherstellen. Mit der Regelung des § 23 Abs. 3 BAföG hat der Gesetzgeber lediglich konkretisiert, was bereits in § 1 BAföG zum Ausdruck kommt, nämlich dass die Ausbildungsförderung als staatliche Sozialleistung nur dann eingreifen soll, wenn der Lebensunterhalt nicht anderweitig finanziert werden kann. (Angemerkt sei, dass man mit diesem Argument in seiner Reinform auch keinen Freibetrag auf zusätzliches Jobben gewähren dürfte.)
Die Ausbildungsvergütung fließt dem Auszubildenden „zwangsläufig durch und für die Ausbildung zu und ist nicht das Ergebnis besonderer zusätzlicher Anstrengungen, die Anerkennung durch einen Freibetrag verdienen.“
Wenn ihr die Logik dieser Formulierung nicht versteht, könnt ihr beruhigt sein - wir verstehen sie auch nicht. Aber trotzdem kann man ja mal versuchen, sie nachzuvollziehen: Sie enthält im Umkehrschluss die Aussage, dass der Freibetrag beim Jobben deshalb gewährt wird, weil der Job von einer besonderen zusätzlichen Anstrengung zeugt. Damit kann nicht die praktische Tätigkeit in dem Job selbst gemeint sein, denn den Freibetrag gibt es ja auch, wenn man sich die meiste Zeit langweilt in seinem Job und dafür Geld bekommt. „Zusätzliche Anstrengung“ meint vielmehr, dass man sich zusätzlich neben der Ausbildung noch um ein Einkommen bemüht. Als PraktikantIn oder AuszubildendeR tut man dies nicht. Man macht „nur“ eine Ausbildung, nichts Zusätzliches. So in etwa dürfte das Argument interpretiert werden. Es bedeutet zugleich, dass man sich den Freibetrag auch nicht durch besonders großes Engagement erarbeiten kann, denn es bleibt „nur“ eine Ausbildung, gleichgültig, wie viel man dort leistet.
Nachzulesen ist die Formulierung übrigens u. a. in einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22.11.2000. In diesem Beschluss hat das Gericht festgestellt, dass § 23 Abs. 3 BAföG mit dem in der Verfassung verankerten Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist (vgl. DVBl. 2001, 571).
„Atypischen Umständen im Einzelfall kann nach Maßgabe der Härteregelung des § 23 Abs. 5 BAföG Rechnung getragen werden.“
Auch dies ist ein Satz (u.a.) aus der unter 2. erwähnten Gerichtsentscheidung. Er erstaunt, weil Absatz 5 auf Ausbildungsvergütungen gar nicht anwendbar ist (es wird nur auf die Absätze 1 und 4 der Vorschrift, nicht aber auf Absatz 3 verwiesen, in dem es um die Ausbildungsvergütung geht). Ausdrücklich findet sich dies auch in VwV 23.5.1. Ob es sich also wirklich um ein taugliches Argument handelt, dürfte bezweifelt werden.
Auch wenn ihr unseren Bemerkungen entnehmt, dass wir die Regelung durchaus zweifelhaft finden: Leider ist das nur unsere Meinung, eine Änderung der herrschenden gesetzlichen Regelung oder der Rechtsprechung ist nicht zu erwarten, d.h. es besteht aktuell keine Hoffnung, irgendwie doch einen Freibetrag zu bekommen, wenn man ein Pflichtpraktikum macht.