Minusrekord BAföG-Statistik 2019Unter 12% aller Studierenden bekommen BAföG
Einige Symbole im Bild (Daumen hoch, nach oben weisende Statistik) sind zwar nicht passend – außer vielleicht für den Finanzminister, der weniger Ausgaben hat …
Insgesamt wurden 2019 pro Monat noch 435.000 Schüler*innen und Studierende gefördert (nach 467.000 im Jahr davor). Bei Studierenden sind es 2019 noch 317.000 gewesen, ein Minus von 5,5% (bei den Schüler*innen ging es sogar um 8,7% zurück). Vor fünf Jahren, also 2014, erhielten noch 425.000 Studierende BAföG – wobei damals die Studierendenzahlen noch um über 200.000 niedriger lagen.
Ein Detail der Statistik zeigt vielleicht ein Problem des BAföGs: Während die Zahl der Vollgeförderten um 4,6% sank, ging die Zahl der Teilgeförderten sogar um 8,3% zurück. Wer sich also nicht so sicher sein kann, ob überhaupt Förderung drin ist, scheut noch stärker einen Antrag – nicht ganz verwunderlich. Vor allem, wenn dann wieder Jahre ohne Erhöhung anstehen könnten (wie zwischen 2002 und 2008 und 2010 und 2016).
Die BAföG-Gefördertenquoten können wir nicht genau angeben, da wir weder den genauen Berechnungsweg der Jahres-Studierendenzahl für den BAföG-Bericht kennen noch die Berechnung der Anspruchsberechtigten. Eine Abschätzung ist aber möglich. Bezogen auf alle Studierende erhalten inzwischen unter 12% noch BAföG und selbst bei den „Anspruchsberechtigten“ dürften es deutlich unter 19% sein.
Die Entwicklung der BAföG-Statistik 2014-2019 | ||||||
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Was? | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
Quellen: BAföG-Statistik 2019 des Statistischen Bundesamtes. Die Studierendenzahlen liegen noch nicht in vergleichbarer Zahl vor, wir haben sie mit Hilfe der Wintersemesterzahlen des Statistischen Bundesamtes geschätzt. Bei den Anspruchsberechtigten rechnen wir mit den Zahlen von 2016, auch wenn diese inzwischen noch etwas gestiegen sein dürften. Alle Angaben bis 2016: 21. Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG, Dezember 2017, https://www.bmbf.de/files/21%20bafoeg%20bericht.pdf. Anspruchsberechtigte sind die, die „dem Grunde nach“ BAföG-berechtigt sind, d.h. in Vollzeit und in der Regelstudienzeit studieren (oder höchstens zwei Semester darüber), nicht über den Altersgrenzen liegen und weder mit zu spätem Fachrichtungswechsel oder fehlendem Leistungsnachweis ihren BAföG-Anspruch verloren haben. | ||||||
Studierende (gesamt) in Tsd. | 2.579 | 2.654 | 2.709 | ~2.746 | ~2.763 | ~2.785 |
Anspruchsberechtigte in Tsd. | 1.696 | 1.706 | 1.709 | >1.709 | >1.709 | >1.709 |
BAföG-Geförderte in Tsd. | 425 | 401 | 377 | 364 | 338 | 317 |
Gefördertenquote (alle Studierende) | 16,5% | 15,1% | 13,9% | ~13,3% | ~12,2% | ~11,4% |
Gefördertenquote (Anspruchsberechtigte) | 25,0% | 23,5% | 22,1% | <21,3% | <19,8% | <18,5% |
Gesamtausgaben in Mio. € | 2.281 | 2.158 | 2.099 | 2.181 | 2.002 | 1.955 |
BAföG-Reformen verpuffen
Das 26. BAföG-Änderungsgesetz, dass beginnend mit dem Wintersemester 2019/20 die Freibeträge und Bedarfssätze deutlich erhöht hat, sollte laut den Verlautbarungen der Bundesbildungsministerin den Kreis der BAföG-Bezieher*innen im Jahresschnitt um 100.000 ausweiten. Daraus wird offenbar nichts.
Dass die vollen Effekte immer erst mit einer Verzögerung von bis zu zwei Jahren zum Tragen kommen, hat sich zwar bei den letzten BAföG-Änderungen gezeigt. Dennoch ist das weitere Absinken kein gutes Zeichen und deutet darauf hin, dass es schwer genug wird, die Zahl der Empfänger*Innen überhaupt nur zu stabilisieren. Wobei letztes vielleicht dadurch gelingt, dass durch Corona die Einkommen vieler sinken werden und so mehr Studierende dringend auf BAföG angewiesen sein werden.
Der Ruf des BAföG hat aber definitiv gelitten: Die Erhöhung im letzten Jahr war so hoch, dass eigentlich eine Erhöhung des Gefördertenzahlen problemlos hätte erreicht werden können. Da vor allem der Anteil der Teilgeförderten stark gesunken ist, deutet das darauf hin, dass viele – auch fälschlich – annehmen, sowieso nicht gefördert werden zu können. Zu viele haben offenbar in der Vergangenheit beantragt und (knapp) kein BAföG erhalten, dass sich diese Erzählung stark verbreitet hat. Hinzu kommt, dass seit praktisch zwei Jahrzehnten relativ große Erhöhungen von vielen Jahren ohne jede Erhöhung abgelöst werden. Wie soll sich also jemand auf das BAföG verlassen?
Hinzu kommen weitere Probleme beim BAföG, sei es die Fixierung auf die Regelstudienzeit (die in der Realität von den meisten nicht zu schaffen ist), die Forderung nach Leistungsnachweisen (vor allem die Tatsache, dass bei Verfehlen ein Aufholen praktisch unmöglich ist) und diverse andere Details. Und wenn man ein ganz großes Fass aufmachen will: Unterhaltsrecht, BAföG und gesellschaftliche Realität passen oft auch nicht mehr so gut zusammen.
Reaktionen auf die BAföG-Statistik
Bundesbildungsministerin Karliczek sieht nicht, dass am BAföG selbst etwas zu ändern wäre. „Die Zahlen der BAföG-Statistik 2019 sind eine Momentaufnahme aus dem vergangenen Jahr – aus der Zeit vor der Pandemie. Im Vergleich zum Vorjahr waren 2019 weniger Studierende auf eine Unterstützung durch das BAföG angewiesen. Die Statistik spiegelt Schwarz auf Weiß die sehr gute wirtschaftliche Ausgangslage wider, in der sich unser Land vor der Pandemie befunden hat. […]
Ich bin froh darüber, dass wir in Deutschland für Schülerinnen, Schüler und Studierende mit dem BAföG einen stabilen Anker für die Finanzierung von Schulausbildung und Studium haben, der gerade in Zeiten einer angespannten Wirtschaftslage für junge Menschen wichtiger denn je ist und verlässlich den Zugang zu Bildung sichert.“
Wenig überraschend sieht das der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) anders. „Dass Frau Karliczek den Rückgang der Gefördertenzahlen mit der wirtschaftlich guten Lage begründet, ist eine Farce in Anbetracht der Zahlen, die wir von der Corona-Überbrückungshilfe des BMBF haben. Die meisten Studierenden, die diese Überbrückungshilfe erhalten, hatten nicht einmal mehr 100€ auf ihrem Konto. So sieht die tatsächliche Lebensrealtität von vielen Studierenden aus, die sich ihr Studium nur dank Nebenjobs leisten können. Dazu kommt, dass die Hälfte aller Überbrückungshilfeanträge abgelehnt wurde – bei vielen, weil sie schon vor der Corona Pandemie in finanzieller Notlage waren. Diesen Menschen wird von der Bundesregierung keine Empathie entgegengebracht und ihre Lage wird nicht als Problem gesehen." äußerte Leonie Ackermann aus dem Vorstand des fzs.
„Außerdem sank beim BAföG die Zahl der Teilgeförderten mit -8,3 % stärker als die Zahl der Vollgeförderten mit -4,6 %. Für immer mehr Studierende, die nur wenig BAföG erhalten, lohnt sich scheinbar die Antragsstellung und der damit einhergehende Stress nicht mehr. Das BMBF versucht, solche Rückgänge mit einem Ende der Bildungsexpansion zu verkaufen. Das ist schlicht falsch und fördert lediglich noch stärkere soziale Ungleichheit in unserem Bildungssystem.“
Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde, fordert in einer Pressemitteilung „eine strukturelle, grundlegende Reform des BAföG, die endlich die Studienrealität zugrunde legt.“. Als ein Beispiel nennt er die Förderungshöchstdauer, die erhöht werden müsse – „[ü]ber 70% der Studierenden beenden ihr Studium erst im zweiten Semester nach der Regelstudienzeit“. Auch sei eine weitere kräftige Steigerung vor allem der Elternfreibeträge, die über die beabsichtigte Erhöhung zum Wintersemester 2020/2021 hinausgehe, erforderlich.