BAföGMehr Chancengleichheit durch die BAföG-Reform?
Der Bericht umfasst neu vor allem die Jahre 2002 und 2003. Damit werden - möglicherweise negative - Entwicklungen im vergangenen Jahr prinzipbedingt gar nicht erfasst. Da die Bundesbildungsministerin durchaus als angeschlagen bezeichnet werden kann (man denke an die Entscheidung zum Hochschulrahmengesetz), lobt sie lieber die eigentlich schon alten Erfolge, als mögliche Schwierigkeiten zu erwähnen. Politisch führt das leider dazu, dass keiner Bedarf sieht, am BAföG etwas zu tun.
Dass Bulmahn sogar behauptet, dass die BAföG-Reform von 2001 "zeigt, dass es möglich ist, Chancengleichheit in Deutschland zu verwirklichen", ist sehr gewagt. Von Chancengleichheit ist Deutschland noch weit entfernt, ganz davon abgesehen, dass Chancengleichheit ein durchaus kritischer Begriff ist. Die Ungleichheit beginnt nicht erst beim BAföG (das 1. immer noch besser sein könnte und 2. im Zeitraum, der vom Bericht nicht mehr erfasst wird, schon schlechter geworden ist), sondern schon viel früher - in Kindergarten und Schule.
Die kleine Reform des BAföG hat zwar tatsächlich den Anteil von Studierenden aus finanziell sehr schwachen Familien steigen lassen. Dafür wird aber mehr und mehr ein Mittelstandsloch erkennbar - das zeigen auch die Daten im aktuellen BAföG-Bericht.
Etwas Bescheidenheit hätte der Ministerin also besser gestanden. Zwar wird es hier im nächsten Absatz auch zunächst von den positiven Seiten handeln - Studis Online sagt dann aber, was fehlt.
Positive Entwicklungen durch BAföG-Reform
Die Gefördertenquote (bezogen auf alle immatrikulierten Studierenden) ist im Vergleich zum schlechtesten Jahr überhaupt (1998: 12,6%) um immerhin 4,4% angestiegen auf nun 17%. Und das trotz der seit 2002 nicht mehr erhöhten Freibeträge und Bedarfssätze. Es kann durchaus daran liegen, dass die Schuldenlast durch das BAföG durch die Reform 2001 auf 10.000 Euro begrenzt wurde und sich das nun zunehmend herumspricht.
Der Erfolg der Begrenzung der Schuldenlast spricht nebenbei bemerkt auch noch einmal deutlich gegen verzinste Studiendarlehen wie in den letzten Wochen diskutiert. Oder genauer: Studiendarlehen können höchstens eine Ergänzung zum BAföG sein, sind aber prinzipbedingt weniger attraktiv und führen zu Schuldenbergen, die gerade Menschen aus sozial schwächeren Kreisen abschrecken dürften.
Bulmahn sprach sich denn auch entschieden für einen Erhalt des BAföGs aus. Es solle nicht zugunsten eines verzinsten Studiendarlehens aufgegeben werden. Ebenso lehnte sie die Aufstockung des BAföGs zur Finanzierung von Studiengebühren ab. Der Bund dürfe nicht in die Grundfinanzierung der Hochschulen einsteigen - und dazu würden die Studiengebühren ja u.a. verwendet. Das BAföG soll ausschließlich den Lebensunterhalt von Studierenden sichern.
Was im Bericht nur am Rande vorkommt: Dunkle Wolken am Horizont
Am Ende des BAföG-Berichts darf der "Beirat für Ausbildungsförderung" auch was sagen. Er tut dies wie gewohnt sehr vorsichtig. Trotzdem sind seine Forderungen eindeutig - und werden von der Ministerin in ihrer Presseerklärung natürlich nicht erwähnt. Daher im folgenden einige Zitate aus den Bemerkungen des Beirats.
Der Umstand, dass es nach Erlass des AföRG im Jahre 2001 nicht mehr zu einer Anhebung von Bedarfssätzen und Freibeträgen gekommen ist und auch im Jahre 2005 nicht kommen soll, begründet die Gefahr, dass es zukünftig wie in den 90er Jahren zu einer schleichenden Aushöhlung des Ausbildungsförderungssystems kommt. Der Beirat für Ausbildungsförderung weist darauf hin, dass bereits im 15. Bericht die Notwendigkeit einer Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um je 3 % und im jetzt vorgelegten 16. Bericht um weitere 3,5 % (Bedarfssätze) und 4,5 % (Freibeträge) festgestellt wurde.
Der Aspekt der Chancengleichheit erfordert eine bedarfsgerechte Förderung. Bedenken bestehen derzeit insbesondere im Hinblick darauf, dass nach der 17. Sozialerhebung die monatlichen Ausgaben für Miete und Nebenkosten zwischen 180 und 325 € schwanken. Es sollte geprüft werden, ob die bestehenden Bedarfssätze und Zuschläge diesem Umstand ausreichend Rechnung tragen.
Übrigens hatte der studentische Dachverband fzs schon 2003 einige Forderungen zur Verbesserung des BAföGs gestellt, u.a. in die Richtung, die der BAföG-Beirat erwähnt. Im Hinblick darauf, dass der Anteil von Kindern aus finanziell schwachen Familien schon in den Gymnasien abnimmt, setzt sich der fzs auch für die Wiedereinführung eines umfassenden SchülerInnen-BAföG ein. Leider sieht es nicht danach aus, als ob derartige - durchaus sinnvolle - Forderungen sich durchsetzen könnten.
Auch das Deutsche Studentenwerk forderte eine Aufstockung der Freibeträge und der Bedarfssätze. Das BAföG dürfe "auf keinen Fall kaputtgespart werden".
Zahlen und Fakten
Regionales Ungleichgewicht
Interessant ist es, die Förderquoten bezogen auf die einzelnen Bundesländer zu vergleichen. In Baden-Württemberg liegt so die Förderquote nur bei 15,5%, in Mecklenburg-Vorpommern jedoch bei 28,5%, in Sachsen gar bei 30,2%.
Die Bundesregierung bezieht ihre Förderquoten immer nur auf die "Anspruchsberechtigten". Das sind all diejenigen, die grundsätzlich Anspruch auf BAföG haben und nicht durch zu langes Studium (oder auch Zweitstudium) oder zu späten Wechsel den Anspruch verloren haben. Nicht anspruchsberechtigt sind auch die meisten ausländischen Studierenden. Hier liegen die Zahlen dann bei 20% (BaWü) zu 40% (Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern).
Der Anteil der Anspruchsberechtigten ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Das mag am Anteil von ausländischen Studierenden liegen, aber eben auch daran, ob es mehr Studierenden gibt, die ihren ursprünglichen BAföG-Anspruch verloren haben. In Baden-Württemberg sind 77% aller Studierenden anspruchsberechtigt, in Nordrhein-Westfalen dagegen nur 57%. Sehr hohe Anteile haben noch Sachsen (76%), Bayern (75%), Sachsen-Anhalt (74%), Thüringen (73%) und Brandenburg sowie Mecklenburg-Vorpommern (jeweils 72%). Geringere Anteile finden sich noch in Hessen (61%) und Bremen (62%). Die hohen Anteile dürften auch an Langzeitstudiengebühren liegen (BaWü), harten Prüfungsordnungen (Bayern) oder finanziellen Schwierigkeiten, die ein Studium ohne BAföG erschweren (Ost-Bundesländer), liegen.
Auslandsförderung
Sehr erfreulich ist der deutliche Anstieg der Auslandsförderung. 2001 waren 10.860 BAföG-EmpfängerInnen im Ausland, 2002 bereits 13.646. Im Jahr 2003 stieg die Zahl der im Ausland Geförderten weiter auf 15.832.
Interessanterweise ist auch die Zahl der Grenzpendler stark gestiegen. Das sind all diejenigen, die in Deutschland wohnen, aber eine Hochschule im Ausland besuchen. 2001 waren es 850 Grenzpendler, im Jahr 2003 jedoch schon 1618. Die meisten davon (1264 in 2003) studieren dabei in den Niederlanden und wohnen in Nordrhein-Westfalen.
Monatliche Förderungsbeträge
Nachdem durch die Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze 2001 auch die durchschnittlichen Förderungsbeträge für Studierende 2001 deutlich auf 365 Euro anstiegen (statt noch 326 Euro 2000), ist diese positive Entwicklung wieder gestoppt. 2002 stieg der Betrag zwar noch auf 371 Euro, um 2003 leicht auf 370 Euro zu sinken.
Zusammenfassung
Quellen:
Berichte der Bundesregierung nach § 35 BAföG, zuletzt 16. Bericht Februar 2005, www.bmbf.de/pub/16_bericht_endg.pdf.
Im Bericht der Bundesregierung wird die Quote der Geförderten auf die Anzahl der dem Grunde nach förderungsfähigen Studierenden bezogen (und das sind ja nicht alle Studierenden) - somit sehen die Zahlen besser aus, als hier bei uns.
Eine ausführlichere Tabelle (mit ausgewählten Daten ab 1972) gibt es im Artikel Die BAföG-Story.
Dass Bulmahn sogar behauptet, dass die BAföG-Reform von 2001 "zeigt, dass es möglich ist, Chancengleichheit in Deutschland zu verwirklichen", ist sehr gewagt. Von Chancengleichheit ist Deutschland noch weit entfernt, ganz davon abgesehen, dass Chancengleichheit ein durchaus kritischer Begriff ist. Die Ungleichheit beginnt nicht erst beim BAföG (das 1. immer noch besser sein könnte und 2. im Zeitraum, der vom Bericht nicht mehr erfasst wird, schon schlechter geworden ist), sondern schon viel früher - in Kindergarten und Schule.
Die kleine Reform des BAföG hat zwar tatsächlich den Anteil von Studierenden aus finanziell sehr schwachen Familien steigen lassen. Dafür wird aber mehr und mehr ein Mittelstandsloch erkennbar - das zeigen auch die Daten im aktuellen BAföG-Bericht.
Etwas Bescheidenheit hätte der Ministerin also besser gestanden. Zwar wird es hier im nächsten Absatz auch zunächst von den positiven Seiten handeln - Studis Online sagt dann aber, was fehlt.
Positive Entwicklungen durch BAföG-Reform
Die Gefördertenquote (bezogen auf alle immatrikulierten Studierenden) ist im Vergleich zum schlechtesten Jahr überhaupt (1998: 12,6%) um immerhin 4,4% angestiegen auf nun 17%. Und das trotz der seit 2002 nicht mehr erhöhten Freibeträge und Bedarfssätze. Es kann durchaus daran liegen, dass die Schuldenlast durch das BAföG durch die Reform 2001 auf 10.000 Euro begrenzt wurde und sich das nun zunehmend herumspricht.
Der Erfolg der Begrenzung der Schuldenlast spricht nebenbei bemerkt auch noch einmal deutlich gegen verzinste Studiendarlehen wie in den letzten Wochen diskutiert. Oder genauer: Studiendarlehen können höchstens eine Ergänzung zum BAföG sein, sind aber prinzipbedingt weniger attraktiv und führen zu Schuldenbergen, die gerade Menschen aus sozial schwächeren Kreisen abschrecken dürften.
Bulmahn sprach sich denn auch entschieden für einen Erhalt des BAföGs aus. Es solle nicht zugunsten eines verzinsten Studiendarlehens aufgegeben werden. Ebenso lehnte sie die Aufstockung des BAföGs zur Finanzierung von Studiengebühren ab. Der Bund dürfe nicht in die Grundfinanzierung der Hochschulen einsteigen - und dazu würden die Studiengebühren ja u.a. verwendet. Das BAföG soll ausschließlich den Lebensunterhalt von Studierenden sichern.
Was im Bericht nur am Rande vorkommt: Dunkle Wolken am Horizont
Am Ende des BAföG-Berichts darf der "Beirat für Ausbildungsförderung" auch was sagen. Er tut dies wie gewohnt sehr vorsichtig. Trotzdem sind seine Forderungen eindeutig - und werden von der Ministerin in ihrer Presseerklärung natürlich nicht erwähnt. Daher im folgenden einige Zitate aus den Bemerkungen des Beirats.
Der Umstand, dass es nach Erlass des AföRG im Jahre 2001 nicht mehr zu einer Anhebung von Bedarfssätzen und Freibeträgen gekommen ist und auch im Jahre 2005 nicht kommen soll, begründet die Gefahr, dass es zukünftig wie in den 90er Jahren zu einer schleichenden Aushöhlung des Ausbildungsförderungssystems kommt. Der Beirat für Ausbildungsförderung weist darauf hin, dass bereits im 15. Bericht die Notwendigkeit einer Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um je 3 % und im jetzt vorgelegten 16. Bericht um weitere 3,5 % (Bedarfssätze) und 4,5 % (Freibeträge) festgestellt wurde.
Der Aspekt der Chancengleichheit erfordert eine bedarfsgerechte Förderung. Bedenken bestehen derzeit insbesondere im Hinblick darauf, dass nach der 17. Sozialerhebung die monatlichen Ausgaben für Miete und Nebenkosten zwischen 180 und 325 € schwanken. Es sollte geprüft werden, ob die bestehenden Bedarfssätze und Zuschläge diesem Umstand ausreichend Rechnung tragen.
Übrigens hatte der studentische Dachverband fzs schon 2003 einige Forderungen zur Verbesserung des BAföGs gestellt, u.a. in die Richtung, die der BAföG-Beirat erwähnt. Im Hinblick darauf, dass der Anteil von Kindern aus finanziell schwachen Familien schon in den Gymnasien abnimmt, setzt sich der fzs auch für die Wiedereinführung eines umfassenden SchülerInnen-BAföG ein. Leider sieht es nicht danach aus, als ob derartige - durchaus sinnvolle - Forderungen sich durchsetzen könnten.
Auch das Deutsche Studentenwerk forderte eine Aufstockung der Freibeträge und der Bedarfssätze. Das BAföG dürfe "auf keinen Fall kaputtgespart werden".
Zahlen und Fakten
Regionales Ungleichgewicht
Interessant ist es, die Förderquoten bezogen auf die einzelnen Bundesländer zu vergleichen. In Baden-Württemberg liegt so die Förderquote nur bei 15,5%, in Mecklenburg-Vorpommern jedoch bei 28,5%, in Sachsen gar bei 30,2%.
Die Bundesregierung bezieht ihre Förderquoten immer nur auf die "Anspruchsberechtigten". Das sind all diejenigen, die grundsätzlich Anspruch auf BAföG haben und nicht durch zu langes Studium (oder auch Zweitstudium) oder zu späten Wechsel den Anspruch verloren haben. Nicht anspruchsberechtigt sind auch die meisten ausländischen Studierenden. Hier liegen die Zahlen dann bei 20% (BaWü) zu 40% (Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern).
Der Anteil der Anspruchsberechtigten ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Das mag am Anteil von ausländischen Studierenden liegen, aber eben auch daran, ob es mehr Studierenden gibt, die ihren ursprünglichen BAföG-Anspruch verloren haben. In Baden-Württemberg sind 77% aller Studierenden anspruchsberechtigt, in Nordrhein-Westfalen dagegen nur 57%. Sehr hohe Anteile haben noch Sachsen (76%), Bayern (75%), Sachsen-Anhalt (74%), Thüringen (73%) und Brandenburg sowie Mecklenburg-Vorpommern (jeweils 72%). Geringere Anteile finden sich noch in Hessen (61%) und Bremen (62%). Die hohen Anteile dürften auch an Langzeitstudiengebühren liegen (BaWü), harten Prüfungsordnungen (Bayern) oder finanziellen Schwierigkeiten, die ein Studium ohne BAföG erschweren (Ost-Bundesländer), liegen.
Auslandsförderung
Sehr erfreulich ist der deutliche Anstieg der Auslandsförderung. 2001 waren 10.860 BAföG-EmpfängerInnen im Ausland, 2002 bereits 13.646. Im Jahr 2003 stieg die Zahl der im Ausland Geförderten weiter auf 15.832.
Interessanterweise ist auch die Zahl der Grenzpendler stark gestiegen. Das sind all diejenigen, die in Deutschland wohnen, aber eine Hochschule im Ausland besuchen. 2001 waren es 850 Grenzpendler, im Jahr 2003 jedoch schon 1618. Die meisten davon (1264 in 2003) studieren dabei in den Niederlanden und wohnen in Nordrhein-Westfalen.
Monatliche Förderungsbeträge
Nachdem durch die Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze 2001 auch die durchschnittlichen Förderungsbeträge für Studierende 2001 deutlich auf 365 Euro anstiegen (statt noch 326 Euro 2000), ist diese positive Entwicklung wieder gestoppt. 2002 stieg der Betrag zwar noch auf 371 Euro, um 2003 leicht auf 370 Euro zu sinken.
Zusammenfassung
1998 | 1999 | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Studierende (gesamt) in Tsd. | 1780 | 1755 | 1741 | 1777 | 1845 | 1916 |
BAföG-Geförderte in Tsd. | 225 | 226 | 232 | 265 | 304 | 326 |
Gefördertenquote | 12,6 | 12,9 | 13,3 | 14,9 | 16,5 | 17,0 |
Gesamtausgaben in Mio. € | 845 | 847 | 884 | 1109 | 1343 | 1382 |
Quellen:
Berichte der Bundesregierung nach § 35 BAföG, zuletzt 16. Bericht Februar 2005, www.bmbf.de/pub/16_bericht_endg.pdf.
Im Bericht der Bundesregierung wird die Quote der Geförderten auf die Anzahl der dem Grunde nach förderungsfähigen Studierenden bezogen (und das sind ja nicht alle Studierenden) - somit sehen die Zahlen besser aus, als hier bei uns.
Eine ausführlichere Tabelle (mit ausgewählten Daten ab 1972) gibt es im Artikel Die BAföG-Story.
- Quellen und mehr zum Thema
- Mehr Chancengleichheit durch die große BAföG-Reform (Pressemitteilung des BMBF, 16.02.2005)
- 16. BAföG-Bericht (PDF-Datei, ca. 460 kB)
- Förderquote gestiegen, weitere Tendenz: Stagnation oder gar Rückfall (Studis Online zum 15. BAföG-Bericht, 02.04.2003)
- Die Geschichte des BAföG (zusammengestellt von Studis Online)